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Als Fallbeispiele dienen drei grosse Maschinenindustriebetriebe: Brown Boveri in Baden, Sulzer in Winterthur und die Maschinenfabrik Oerlikon in Zürich. Die Erzählung setzt mit dem Friedensabkommen von 1937 ein und endet 1967, als sich die Branche mit einer aufkommenden Krise konfrontiert sah. Sie fokussiert also einen streikarmen, vom Arbeitsfrieden beherrschten Zeitraum, der geprägt war von Krieg, geistiger Landesverteidigung und einer Hochkonjunktur der Nachkriegszeit. Die Studie beginnt mit der betrieblichen Rationalisierung in den Fabriken. Seit den 1940er Jahren veränderten die Unternehmensleitungen die Arbeitsorganisation und verdichteten die Arbeitsprozesse. Sie führten neue individualisierte Lohnformen wie den Zeitakkord ein, erprobten neue Systeme der Persönlichkeitsbewertung und institutionalisierten ein Vorschlagswesen. Dieses sah Geldprämien für Arbeiter:innen und Angestellte vor, die Ideen zur Verbesserung der Arbeitsprozesse einbrachten. Eine Voraussetzung für diese Umstrukturierungen war neues tayloristisches Wissen, das Unternehmensberater und arbeitswissenschaftliche Experten zu popularisieren begannen. Zentral war aber vor allem der Verzicht der Gewerkschaften auf Lohnkämpfe und Streiks. Stattdessen verliehen sie den Massnahmen innerbetriebliche Legitimation und halfen bei der Rekrutierung neuer Belegschaften, die sich mehrheitlich aus billigen südeuropäischen Hilfsarbeitern und ortsansässigen Frauen zusammensetzten. Im zweiten Kapitel analysiert Fasel die neuen Einrichtungen der betrieblichen Sozialpolitik, welche die Prozesse der Rationalisierung komplementierten. Paritätische Pensionskassen, gemeinsam verwaltete Betriebskrankenkassen und zweckvielfältige Unterstützungsfonds bestanden schon seit dem späten 19. Jahrhundert, doch in der Nachkriegszeit kamen neue Institutionen hinzu. Informiert durch betriebspsychologische Konzepte der Human Relations führten die Betriebe zudem Besuchstage ein, die als Integrationsveranstaltungen mit Bildungscharakter fungierten. Um die (männliche) Zusammengehörigkeit zu fördern, organisierte man auch Firmen- und Abteilungsabende, wo gemeinsam gegessen, gesungen und getanzt wurde, und man sich in sexistischen Theatereinlagen über Frauen in den Betrieben – Konkurrentinnen also – lustig machte. Oft fanden die Events in neu gebauten Wohlfahrtshäusern statt, die eine Mischung aus Veranstaltungslokalen, Verpflegungsstationen und Bildungseinrichtungen waren. Vor allem Fabrikfürsorgerinnen sorgten dort für sozialreproduktive Sicherheiten, indem sie Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen in Fragen der Haushaltsführung und des Familiennachwuchses berieten, ihnen bei Geldproblemen halfen oder sie über Suchtverhalten informierten. Das dritte und letzte Kapitel «tritt aus der Fabrik heraus» (S. 11) und zeigt, wie die Betriebe ihre Arbeiter:innen durch teils subventionierte Wohnbauprojekte im Umland und die Vergabe von Baukrediten und Hypotheken an Facharbeiter und Angestellte an sich banden. Hauptmotiv war neben der Verringerung der kostspieligen personellen Fluktuationen die Investition eigener Pensionskassengelder in Immobilien. Miet- und Darlehensverträge, die an das Beschäftigungsverhältnis gekoppelt waren, verpflichteten als neue Beziehungsmedien die Belegschaften. Umschwung in Form von Pflanzland sollte das Selbstversorgerdasein anregen und Lohnforderungen präventiv begegnen. Ausländische Arbeitskräfte wurden dagegen disponibel gehalten: Sie brachte man in Barackenlagern, billigen Wohnungen oder in Gasthöfen unter, sozial und räumlichen segregiert von den inländischen Belegschaften. Andreas Fasel zeigt in seiner Studie, wie die drei Grossbetriebe der Maschinenindustrie die Rationalisierung der Arbeitsprozesse durch die Schaffung neuer sozialreproduktiver Grundlagen förderten. Verantwortlich dafür waren neu institutionalisierte Sozialregime, welche die Belegschaften seit den 1940er Jahren an die Betriebe banden, diese aber zugleich in die Haushalte brachten. Insofern ist der Titel der Studie Fabrikgesellschaft durchaus treffend gewählt. Weniger überzeugend ist dagegen die Platzierung von Konflikten in diesem Narrativ der Produktivitätssteigerung. Diese Kritik kann nicht mit dem fehlenden Erkenntnisinteresse des Autors abgetan werden. Fasel interessiert sich sehr wohl für Widerstände, Eigensinnigkeiten und «Mikrokämpfe» (S. 41) in einer Zeit befriedeter Betriebe. Immer wieder streut er Beispiele ein, wie Arbeiter:innen durch Kündigungen einen informellen Lohnkampf führten, Werkzeuge mitlaufen liessen und verkauften, sich über die Umstellung auf gesunde Ernährung in den Kantinen beklagten, die Briefkästen des Vorschlagswesens als Zigarettenbecher missbrauchten oder sich in Sketches an Firmenabenden über die Bosse lustig machten. Allerdings wird diese «Konfliktualität jenseits der gewerkschaftlichen Vermittlung» (S. 90) nicht systematisch in die Erzählung eingebaut. Dass die Belegschaften trotz oder gerade wegen des Arbeitsfriedens und steigender Kaufkraft nicht alles mitmachten, weist er nach. Doch wie – und wenn überhaupt – veränderten sich die Protestformen der Arbeiter:innen, als die Gewerkschaften keine verlässlichen Fürsprecherinnen mehr waren? Die Studie hätte gewonnen, wenn diese Aspekte in die Sozialgeschichte der Arbeit integriert worden wären. Lesen sollte man sie trotzdem unbedingt. Zitierweise: Ruoss, Matthias: Rezension zu: Andreas Fasel, Fabrikgesellschaft. Rationalisierung, Sozialpolitik und Wohnungsbau in der Schweizer Maschinenindustrie, 1937–1967, Zürich 2021. Zuerst erschienen in: |http://www.sgg-ssh.ch/de/publikationen/schweizerische-zeitschrift-fuer-geschichte-szg|Schweizerische Zeitschrift für Geschichte| 72 (2), 2022, S. 323-325. Online: ." 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Der Zeitrahmen ergibt sich durch den Abschluss des sogenannten Friedensabkommens zwischen dem Arbeitgeberverband Schweizerischer Maschinen- und Metall-Industrieller (ASM) und dem Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiter-Verband (SMUV), der in die frühe Erholungsphase nach der Weltwirtschaftskrise fiel, sowie durch die ersten Anzeichen der krisenhaften Entwicklung im lange dominanten schweizerischen Wirtschaftszweig gegen Ende der 1960er-Jahre. Untersucht werden drei einst bedeutende Unternehmen: Brown, Boveri & Cie. (BBC) in Baden, Maschinenfabrik Oerlikon (MFO) in Zürich – Restbestände beider gehören heute zur Asea Brown Boveri (ABB) – sowie Gebrüder Sulzer in Winterthur. Dabei kommen sowohl betriebswirtschaftliche Aspekte wie die Rationalisierung als auch die betriebliche Sozialpolitik, namentlich die Bereitstellung von Werkswohnungen, zur Sprache. Mit dem Abschluss des sogenannten Friedensabkommens im Juli 1937, das im Gegensatz zu einem Tarifvertrag keinen normativen Teil (Löhne, Arbeitszeit usw.) enthielt, mussten die Maschinenindustriellen zumindest von gewerkschaftlicher Seite keine Streiks mehr befürchten. Sie konnten die Umstrukturierungen der folgenden Jahrzehnte unternehmensintern durchführen. Im Vordergrund stand der Übergang vom Geld- zum Zeitakkord, der ab Ende der 1940er- und vor allem in den 1950er-Jahren erfolgte. Dabei blieb das Prinzip, schnell zu arbeiten, dasselbe, die Wahrnehmung verschob sich jedoch: „Es schien nicht mehr so, als ob die Werkstücke bezahlt würden, sondern bloss noch die erbrachten Leistungen […].“ (S. 39). Da für die Beschäftigten die Arbeiterbewegung zunehmend an Bedeutung verlor, versuchten die Maschinenindustriellen diese Lücke mit dem Ausbau ihrer betrieblichen Sozialpolitik – dem „Kernstück der Untersuchung“ (S. 235) – zu füllen. Ihr argumentativer Hintergrund bildete in den 1950er- und 1960er-Jahren die äußerst vage interpretierte, aus den USA kommende Human-Relations-Ideologie, die zuvor verbreitete korporative Vorstellungen von einer Betriebsgemeinschaft ablöste. Sie legte mehr Wert auf das Wohlbefinden der Belegschaft und versuchte, das Lohnverhältnis zu entpolitisieren, wie Andreas Fasel schreibt. „Sozialpolitische Einrichtungen wie Vorsorgekassen, Unterstützungsfonds, Werkzeitungen, Abteilungsabende, Jubilarenfeiern, Wohlfahrtshäuser, Sozialarbeit, Hauswirtschaftskurse, Werkwohnungsbau, sie alle waren nicht bloss als Kompensation gedacht für die verdichtete, durchrationalisierte Arbeit. 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Eine Betriebskommission organisierte – allerdings mit mäßigem Erfolg – Veranstaltungen wie Konzerte, Filme, Theatervorführungen, Gespräche mit Schriftstellern, vor allem aber wirtschaftsliberale Belehrung und natürlich auch antikommunistische Propaganda. Die Wohlfahrtshäuser sollten den betrieblichen mit dem außerbetrieblichen Alltag verbinden. Für individuelle Probleme wurden seit der Zwischenkriegszeit Sozialarbeiterinnen eingestellt; 1948 zählte man in 118 deutschschweizerischen Unternehmen insgesamt 52. Sie kümmerten sich um Fragen wie Suchtprävention, Budgetberatung oder Verbesserung der Hauswirtschaft. Sie machten Hausbesuche, boten Haushaltungskurse an, vermittelten in Notsituationen günstige Darlehen und liessen Pensionierten und Beschäftigten in Not gelegentlich Lebensmittel- oder Wäschepakete zustellen. Bei Sulzer erklärte die Sozialarbeiterin Mitte der 1950er-Jahre, die meisten Fälle würden ihr von Werkmeistern oder Betriebschefs überwiesen. Die Sozialarbeiterinnen kümmerten sich um die Probleme der Belegschaft, die den Verlauf der Produktion zu stören drohten. Nicht in ihre Kompetenz fiel die Kritik an zu niedrigen Löhnen. Zwischen den Firmenanlässen und den Wohlfahrtshäusern untersucht Andreas Fasel den Umgang der Unternehmen mit der Opposition, nachdem die Gewerkschaften als solche ausgefallen waren. Schon seit den 1920er-Jahren arbeiteten dabei einige mit rechtsextremen Organisationen zusammen. Seit 1994 ist eine geheime Zusammenstellung der Bundespolizei bekannt, die für 1938 beträchtliche Spenden an die an der NSDAP orientierten Eidgenössischen Sozialen Arbeiter-Partei (ESAP) dokumentiert, darunter solche führender Manager von Sulzer und MFO. Nach dem Krieg spannte vor allem die MFO mit der Moralischen Aufrüstung – zuvor Oxfordbewegung und seit 2001 als _Initiativen der Veränderung_ bekannt – zusammen, die im ehemaligen Luxushotel Caux Palace über dem Genfersee ein internationales Zentrum betrieb. 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Sie zeigt nicht den Kampf der Gewerkschaften um bessere Arbeitsbedingungen, sondern deren Gestaltung durch die Maschinenindustriellen in zwar nicht formeller, aber weitgehend faktischer Abwesenheit der organisierten Arbeiterschaft. Der Autor konnte sich dabei auf die bisher selten verwendeten und zum Teil noch immer schwer zugänglichen Firmenarchive (Sulzer, S. 14) stützen. Dabei versteht er es, seine konzeptionellen Überlegungen mit empirischen Befunden zu verknüpfen, so dass ein spannender und gut lesbarer Text entstanden ist." 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Fasel: Fabrikgesellschaft | infoclio - Rezensionen
Cover
Titel
Fabrikgesellschaft. Rationalisierung, Sozialpolitik und Wohnungsbau in der Schweizer Maschinenindustrie, 1937–1967


Autor(en)
Fasel, Andreas
Erschienen
Zürich 2021: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
320 S.
Preis
48 CHF
von
Matthias Ruoss, IIEDH, Universität Fribourg

Der Buchdeckel zeigt ein Foto des Industriefotografen Jakob Tuggener von 1943. Darauf ist eine schwarzgekleidete Frau zu sehen, die auf einer Treppe stehend nach dem Türgriff eines Hintereingangs greift, der sie in ein Backsteingebäude der Maschinenfabrik Oerlikon bringt. Das Sujet macht die Dissertation von Andreas Fasel nicht nur zu einer der schönsten wissenschaftlichen Publikationen des Jahres 2021, es bildet auch sein Erkenntnisinteresse treffend ab. Er wolle, heisst es einleitend, «in die Fabrik einsteigen, um [s]ich ein wenig in ihr umzuschauen» (S. 7). Was auf diese salopp formulierte Ankündigung folgt, ist eine sehr sorgfältig komponierte «Sozialgeschichte der Arbeit» (S. 9), welche die verflochtenen Beziehungen zwischen dem betrieblichen Innern und dem sozialen Aussen, die arrangierten Verhältnisse zwischen Produktionsstätte und erwerbsarbeitsbefreitem Alltag und so letztlich «die sich verflüssigende Grenze zwischen Fabrik und Gesellschaft» (S. 127) untersucht. Als Fallbeispiele dienen drei grosse Maschinenindustriebetriebe: Brown Boveri in Baden, Sulzer in Winterthur und die Maschinenfabrik Oerlikon in Zürich. Die Erzählung setzt mit dem Friedensabkommen von 1937 ein und endet 1967, als sich die Branche mit einer aufkommenden Krise konfrontiert sah. Sie fokussiert also einen streikarmen, vom Arbeitsfrieden beherrschten Zeitraum, der geprägt war von Krieg, geistiger Landesverteidigung und einer Hochkonjunktur der Nachkriegszeit.

Die Studie beginnt mit der betrieblichen Rationalisierung in den Fabriken. Seit den 1940er Jahren veränderten die Unternehmensleitungen die Arbeitsorganisation und verdichteten die Arbeitsprozesse. Sie führten neue individualisierte Lohnformen wie den Zeitakkord ein, erprobten neue Systeme der Persönlichkeitsbewertung und institutionalisierten ein Vorschlagswesen. Dieses sah Geldprämien für Arbeiter:innen und Angestellte vor, die Ideen zur Verbesserung der Arbeitsprozesse einbrachten. Eine Voraussetzung für diese Umstrukturierungen war neues tayloristisches Wissen, das Unternehmensberater und arbeitswissenschaftliche Experten zu popularisieren begannen. Zentral war aber vor allem der Verzicht der Gewerkschaften auf Lohnkämpfe und Streiks. Stattdessen verliehen sie den Massnahmen innerbetriebliche Legitimation und halfen bei der Rekrutierung neuer Belegschaften, die sich mehrheitlich aus billigen südeuropäischen Hilfsarbeitern und ortsansässigen Frauen zusammensetzten.

Im zweiten Kapitel analysiert Fasel die neuen Einrichtungen der betrieblichen Sozialpolitik, welche die Prozesse der Rationalisierung komplementierten. Paritätische Pensionskassen, gemeinsam verwaltete Betriebskrankenkassen und zweckvielfältige Unterstützungsfonds bestanden schon seit dem späten 19. Jahrhundert, doch in der Nachkriegszeit kamen neue Institutionen hinzu. Informiert durch betriebspsychologische Konzepte der Human Relations führten die Betriebe zudem Besuchstage ein, die als Integrationsveranstaltungen mit Bildungscharakter fungierten. Um die (männliche) Zusammengehörigkeit zu fördern, organisierte man auch Firmen- und Abteilungsabende, wo gemeinsam gegessen, gesungen und getanzt wurde, und man sich in sexistischen Theatereinlagen über Frauen in den Betrieben – Konkurrentinnen also – lustig machte. Oft fanden die Events in neu gebauten Wohlfahrtshäusern statt, die eine Mischung aus Veranstaltungslokalen, Verpflegungsstationen und Bildungseinrichtungen waren. Vor allem Fabrikfürsorgerinnen sorgten dort für sozialreproduktive Sicherheiten, indem sie Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen in Fragen der Haushaltsführung und des Familiennachwuchses berieten, ihnen bei Geldproblemen halfen oder sie über Suchtverhalten informierten.

Das dritte und letzte Kapitel «tritt aus der Fabrik heraus» (S. 11) und zeigt, wie die Betriebe ihre Arbeiter:innen durch teils subventionierte Wohnbauprojekte im Umland und die Vergabe von Baukrediten und Hypotheken an Facharbeiter und Angestellte an sich banden. Hauptmotiv war neben der Verringerung der kostspieligen personellen Fluktuationen die Investition eigener Pensionskassengelder in Immobilien. Miet- und Darlehensverträge, die an das Beschäftigungsverhältnis gekoppelt waren, verpflichteten als neue Beziehungsmedien die Belegschaften. Umschwung in Form von Pflanzland sollte das Selbstversorgerdasein anregen und Lohnforderungen präventiv begegnen. Ausländische Arbeitskräfte wurden dagegen disponibel gehalten: Sie brachte man in Barackenlagern, billigen Wohnungen oder in Gasthöfen unter, sozial und räumlichen segregiert von den inländischen Belegschaften.

Andreas Fasel zeigt in seiner Studie, wie die drei Grossbetriebe der Maschinenindustrie die Rationalisierung der Arbeitsprozesse durch die Schaffung neuer sozialreproduktiver Grundlagen förderten. Verantwortlich dafür waren neu institutionalisierte Sozialregime, welche die Belegschaften seit den 1940er Jahren an die Betriebe banden, diese aber zugleich in die Haushalte brachten. Insofern ist der Titel der Studie Fabrikgesellschaft durchaus treffend gewählt. Weniger überzeugend ist dagegen die Platzierung von Konflikten in diesem Narrativ der Produktivitätssteigerung. Diese Kritik kann nicht mit dem fehlenden Erkenntnisinteresse des Autors abgetan werden. Fasel interessiert sich sehr wohl für Widerstände, Eigensinnigkeiten und «Mikrokämpfe» (S. 41) in einer Zeit befriedeter Betriebe. Immer wieder streut er Beispiele ein, wie Arbeiter:innen durch Kündigungen einen informellen Lohnkampf führten, Werkzeuge mitlaufen liessen und verkauften, sich über die Umstellung auf gesunde Ernährung in den Kantinen beklagten, die Briefkästen des Vorschlagswesens als Zigarettenbecher missbrauchten oder sich in Sketches an Firmenabenden über die Bosse lustig machten. Allerdings wird diese «Konfliktualität jenseits der gewerkschaftlichen Vermittlung» (S. 90) nicht systematisch in die Erzählung eingebaut. Dass die Belegschaften trotz oder gerade wegen des Arbeitsfriedens und steigender Kaufkraft nicht alles mitmachten, weist er nach. Doch wie – und wenn überhaupt – veränderten sich die Protestformen der Arbeiter:innen, als die Gewerkschaften keine verlässlichen Fürsprecherinnen mehr waren? Die Studie hätte gewonnen, wenn diese Aspekte in die Sozialgeschichte der Arbeit integriert worden wären. Lesen sollte man sie trotzdem unbedingt.

Zitierweise:
Ruoss, Matthias: Rezension zu: Andreas Fasel, Fabrikgesellschaft. Rationalisierung, Sozialpolitik und Wohnungsbau in der Schweizer Maschinenindustrie, 1937–1967, Zürich 2021. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 72 (2), 2022, S. 323-325. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00108>.